Tim Raue - Der feinsinnige Rebell

Artikel und Interview von Zoë Jenny

Tim Raue ist erst 45, aber seine Lebensgeschichte wäre schon jetzt ein guter Roman. Aufgewachsen in Kreuzberg, in einem gewalttätigen Elternhaus, prügelte er sich als Jugendlicher in einer Gang durch die Straßen und Hinterhöfe Berlins. Mit siebzehn Jahren wurde er Koch aus dem simplen Grund Geld zu verdienen. Nach dem Motto: Erst kommt das fressen, dann die Moral. Doch schon bald kochte er sich aus dem Sumpf seiner Herkunft in höhere Sphären und wurde bereits mit 23 Jahren zum ersten Mal Küchenchef.

Die ungemein durchstrukturierte Welt der Spitzenköche, in der es um Sekunden geht ob ein Gericht gelingt oder nicht, scheint ihm zu taugen. Sie ist das Gegenteil von dem Chaos, das ihn als Kind unglücklich und aggressiv machte.

Die Selbstdisziplin die sich Tim Raue aneignete ist bemerkenswert. Mit preußischem Fleiß und Genauigkeit kocht er sich von Erfolg zu Erfolg. Doch die kulinarische Prägung ist nicht die Döner Bude seiner Kindheit, sondern die asiatische Welt. Es ist die Offenheit und Neugierde auf das Unbekannte, dass aus Tim Raue den Koch machte der er heute ist. Im Jahr 2004 in Singapur erlebt er eine kulinarische Erweckung, die ihn nachhaltig verändern sollte. Er brachte den Duft der Welt nach Hause und auf die Teller, die aromatisch perfekt komponiert und zugleich poetisch sind. Tim Raue brachte das Sweet and Sour Konzept auf höchstes Niveau und seine Peking Ente ist längst legendär.

Aber Tim Raue hat nicht nur das Talent das Beste aus sich und einer Situation zu machen - er ist mittlerweile mit zwei Sternen und 19 Gault Millau Punkten ausgezeichnet – er hat auch die besondere Fähigkeit aus anderen Höchstleistungen herauszuholen. Daher kocht er nicht nur in seinem Restaurant in Berlin auf höchstem Niveau, sondern ist in einer großen Anzahl anderer Lokale und Projekte involviert.

Mit einem sicheren Gespür dafür was funktioniert und was nicht, wird alles was Tim Raue anfasst wir zu Gold.

Die Karriere des bösen Buben aus Kreuzberg zum feinsinnigen Sternekoch ist beispiellos und es ist daher auch kein Wunder, dass er als einer der wenigen Europäer für die amerikanische Netflix Serie ´chef´s table´ ausgesucht wurde. Verkörpert er doch geradezu exemplarisch das amerikanische Lieblingsschema der vom-Tellerwäscher –zum –Millionärs Geschichte. In öffentlichen Auftritten wirkt Tim Raue authentisch und es ist durchaus sympathisch und es spricht für ihn, dass er auch die kompromisslose Härte und Schattenseiten seines Berufes anspricht. Der Leistungsdruck unter dem Spitzenköche seiner Kategorie stehen ist bekanntlich enorm. Doch Tim Raues Kondition ist ungebrochen. Vielleicht liegt es daran, dass er getragen ist von einer tief empfundenen Lebensfreude, die jenen eigen ist, die die Welt schon früh aus der Perspektive des Verlierers ertragen mussten.

Gepaart mit seiner Liebe und Faszination für die asiatische Küche und für bildende Kunst entstehen immer wieder unverwechselbare Gerichte und Ideen. So gibt es seinem Trendlokal in Berlin ´La Soupe Populaire´ wechselnde Kunstausstellungen und eine darauf abgestimmte Speisekarte. Nicht nur Tim Raues Kochkunst, auch seine Restaurantkonzepte setzen neue Trends.

Die letzte Errungenschaft führt in die Schweiz: `The K by Tim Raue` wurde vor kurzem mit 17 Gault Millau Punkten ausgezeichnet, der Guide Michelin krönt die Zusammenarbeit des Berliner mit dem Fünf-Sterne-Superior-Hotel nun mit einem Stern. 

Man darf auf die nächsten Kapitel von Tim Raues kulinarischer Lebensreise gespannt sein.


8 Fragen an Tim Raue

 


P&T:  Unlängst wurde das Restaurant The K im Hotel Kulm St.Moritz mit einem Stern ausgezeichnet. Was ist für sie das Besondere an dieser Lokalität? 

 

Das The K ist ein wunderbares Restaurant im Kulm Hotel, das fertig eingerichtet und mit einer tollen Küche ausgestattet auf einen engagierten pop-up Betreiber gewartet hat. Und dann sind wir gekommen….

P&T:  Gab es ein Schlüsselerlebnis in ihrer Kindheit oder Jugend dass zu der Entscheidung geführt hat Koch zu werden? 

 

Nein, ich wollte einen Beruf ergreifen, der es mir ermöglicht kreativ zu arbeiten, und ohne Abitur blieben mir neben dem Beruf des Kochs nur Maler oder Schneider zur Wahl. Da ich schon immer gerne mit Genuss gegessen habe, war mein Interesse in dem Bereich am größten. Und der erste Tag in der Küche hat mich direkt begeistert.

P&T:  Sie sind bekannt für ihre Liebe zur asiatischen Küche. Wie haben sie die asiatische Küche entdeckt und was ist für sie das besonders reizvolle daran? 

 

Ich habe 2004 in Singapur mein Erweckungserlebnis gehabt und ich schätze die Aromatik der thailändischen Küche, mit ihrem Spiel von Süße, Säure & Schärfe. Wir verwenden Techniken aus der chinesischen Küche und viele grandiose japanische Produkte.

P&T: Gibt es etwas was bei Ihnen zu Hause immer im Kühlschrank sein muss?
 

 

Marillen-Marmelade, Häagen Dasz Eis, Krug Champagner und Chili Sauce 

P&T: Sie sind einer der besten und erfolgreichsten deutschen Köche und wurden mit zwei Sternen geehrt. Was bedeutet das für sie? Spornt sie das an noch mehr zu erreichen? 

 

Jede Auszeichnung sorgt für Aufmerksamkeit, der Michelin mit seinen Sternen bringt uns Gäste aus der ganzen Welt. Das ist geschäftlich unheimlich wichtig. Und natürlich geht es darum, so gut wie möglich zu kochen. Wie das bewertet wird, kommt aber von außen.

P&T: Wie entwickeln sie ein Gericht, was inspiriert sie? 

 

Das ist enorm vielfältig. Gestern habe ich den ersten frischen Spargel gesehen und habe mich damit auseinander gesetzt. Vorgestern habe ich ein Handtuch gesehen, das mich mit seinem Muster und seiner Farbzusammensetzung beeindruckt hat. Daraus wird ein Gericht mit Wachtel, Süßkartoffel & Mandarine entstehen.

P&T: Gibt es andere Spitzenköche die für sie Vorbilder sind? 

 

Ich schätze viele meiner Kollegen, vor allem wenn sie etwas schaffen, was es vorher nicht gab. Damit meine ich nicht nur neue Gerichte, sondern auch gastronomische Konzepte. Das sind nicht zwangsläufig nur Sternerestaurants, sondern auch Orte die casual sind, wie die Langosteria in Mailand. 

P&T: Wie sehen sie die Küche der Zukunft? Nehmen sie  bestimmte Entwicklungen oder Tendenzen wahr? 

 

Köche sind auch in der Verantwortung den Gästen essen zu servieren, das ihnen gut tut. Deswegen werden wir zukünftig noch bewusster kochen.

 

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