SHIKI - Symphonien für den Gaumen

Wahrscheinlich muss man nach Wien kommen, um ein Gourmet Restaurant zu finden, dass von einem Musiker geführt wird. Der erste Gastdirigent des Wiener Kammerorchesters und Geiger, Joji Hattori, eröffnete das Lokal 2015. Seither gibt der ehemalige Schüler von Yehudi Menuhin nur noch ein bis zwei Konzerte im Monat - den Rest der Zeit verbringt er in seinem Lokal an der Krugerstraße, nur wenige Schritte von der Staatsoper entfernt. Schließlich muss er hier jedes Gericht testen, bevor es in das Menü aufgenommen wird. Perfektionismus ist für den gebürtigen Japaner, der in Wien aufwuchs, eine Selbstverständlichkeit.

Dass der mit einem Michelin Star ausgezeichnete Koch Alois Traint nur die besten und frischesten Zutaten verwendet ist selbstredend, doch das im Haus alles – vom Fond bis zu den eingelegten Algen – selbst produziert wird, ist selbst für ein Spitzenlokal außergewöhnlich.

Dieser hohe Anspruch ist nicht nur aufwendig, sondern sehr zeitintensiv- die Herstellung einer einzigen Suppe kann daher einen halben Tag dauern. Doch wenn es um die Qualität geht, werden weder Kosten noch Mühen gescheut, erklärt Geschäftsführer Henrik Mergell und man merkt, dass hier nicht immer ökonomische Vernunft das letzte Wort hat. Joji Hattori gibt nicht nur im Orchester, sondern auch in seinem Restaurant den Ton an und da ist eben nur das Beste gut genug. Dafür ist das SHIKI auch das einzige Japanische Fine Dining Restaurant in Wien auf Sterneniveau. Dabei verweist Hattori, der 2019 vom österreichischen Gourmet Magazin Falstaff zum Gastronomen des Jahres gekürt wurde, gerne auf sein Team, von dem er sagt, dass alle gastrosophische Kosmopoliten mit japanischer DNA sind.

Das Konzept ist erfolgreich. Sowohl die Brasserie, als auch der Sterne Bereich im hinteren Teil des Restaurants, sind bis auf den letzten Platz besetzt. Hier steht auch der Bösendorfer, auf dem man - wenn man Glück hat - auch schon mal den Meister himself spielen hören kann. Reservieren muss man im SHIKI allerdings einige Wochen im Voraus.

Wir bekommen den begehrten „Chefs table“ am Fenster mit direktem Blick in die Küche. Eingestimmt werden wir zunächst mit einem Glas Boll &Cie, der Champagner den man auf der Titanic trank, erklärt uns der junge Sommelier schmunzelnd. Etwas Drama kann nie schaden. Auch hinter der Glasscheibe geht es recht fröhlich zu, das mag am heiteren Gemüt des Chefkochs Alois Traint liegen, der sich- wie er uns später erklärt- die spezifisch japanische Kochkunst auch mit dem Studium entsprechender YouTube Videos angeeignet hat

Japan meets Austria ist in jeder Hinsicht eine durchaus geglückte Angelegenheit.

Von eingelegtem Ingwer und Algen zu Jakobsmuschel in Trüffel Miso und einer perfekt angebratenen Ente, die an Zartheit nicht zu übertreffen ist, durchqueren wir kulinarisch Kontinente. Unvergesslich ist der wertvolle, frische Wasabi, der gleich am Tisch gerieben wird.

Ein weiteres Highlight ist der Besuch im Keller, wo sich Alois Traints Reich befindet. Im Gegensatz zu der Betriebsamkeit im Restaurant, herrscht hier eine fast meditative, Zen artige, Stimmung der Ruhe und Gelassenheit. Zwischen Kisten mit exotischen Nahrungsmitteln erzählt er uns von seiner Liebe zur japanischen Küche und seinem außergewöhnlichen Hobby: dem Sammeln exklusiver Messer.

Seine Augen leuchten als er uns erzählt wie er einen hundertfünfdreißig Kilo schweren Thunfisch mit einem sogenannten Maguro- Messer - einem speziell langen dünnen Thunfischmesser- zubereiten durfte. In einem kleinen Raum sind die Messer wie wertvolle Schmuckstücke aufbewahrt. „Andere kaufen sich teure Autos, ich kaufe mir Messer“, sagt er und zeigt uns stolz eine spezielle Maßanfertigung die soeben aus Japan eingetroffen ist. „Es liegen hier Messer im Wert von rund 200 000.- Euro herum.“

In seiner Freizeit geht er am liebsten in riesigen Wäldern wandern, um sich von den Strapazen zu erholen, denen ein Sternekoch ausgeliefert ist. Allerdings ausgerüstet mit einer Stirnlampe und mitten in den Nacht, wenn normale Menschen schlafen. Alois Traint ist ein wunderbares Beispiel dafür, warum ich mich so gerne mit Spitzenköchen unterhalte: Hinter raffinierten Gerichten stecken oft interessante Persönlichkeiten. Ein bisschen verrückt zu sein gehört dazu; ist es doch genau diese hochkreative Energie die zu überraschenden und inspirierenden Ergebnissen führt.

Alois Traint ist der erste nicht asiatische Koch, der für seine asiatische Küche mit einem Michelin Stern ausgezeichnet wurde. Man merkt ihm die Leidenschaft fürs Kochen und die Liebe zu den Produkten an, als er uns in die diversen Speisekammern führt, in denen Gewürze, eingelegte Wurzeln, exotische Früchte und getrocknete Fische gelagert werden und darauf warten, für kulinarische Erfindungen verwendet zu werden. Hier, im Untergeschoss des Edeljapaners versammelt sich der Duft der Welt. Mit Joji Hattori und Alois Traint haben sich zwei Künstlerseelen getroffen, die das Beste aus ihren Welten vereinen- zum Glück für uns.

Zum Abschluss setzen wir uns noch an die Bar. Es ist kein Geheimnis dass der beste Whisky der Welt mittlerweile nicht mehr aus Schottland oder den USA kommt, sondern aus Japan. Eine Flasche 30 Jahre alter Suntory Hibiki kostet bis zu 5000 Euro. Was immer es ist, was der verschmitzt lächelnde Barkeeper kredenzt, es schmeckt köstlich und irgendwie geheimnisvoll. Wie flüssiges Sandelholz mit Gold versetzt.

Wer nach Wien kommt, sollte sich auf jeden Fall ein klassisches Konzert anhören und sich ein Besuch im SHIKI gönnen - mit einem Abstecher in den Keller. Der Duft der Welt ist ein Parfum, das haften bleibt.